Hilft eine Hormonersatztherapie (HRT) Demenz zu verhindern?

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Die Alzheimer-Demenz ist für die meisten von uns eine der größten gesundheitlichen Ängste und eine Erkrankung, von der Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind. Neueste Forschungsergebnisse[1], deuten darauf hin, dass die Einnahme von Hormonersatztherapien (auch HRT oder HET abgekürzt) dieses Risiko für einige Frauen verringern könnte. Dr. Rebeccah Tomlinson, Allgemeinärztin und Spezialistin für Wechseljahre, erläutert, was die neuesten Erkenntnisse bedeuten …

Zahlen belegen, dass derzeit mehr als 1,2 Mio. Frauen in Deutschland mit Demenz leben und dass diese Krankheit eine der häufigsten Todesursache bei Frauen ist.[2] Diese Zahlen werden voraussichtlich mit zunehmendem Alter der Bevölkerung steigen.

Es ist daher vielleicht nicht überraschend, dass diese neue Studie, die von Forscher:innen der Universität von East Anglia und der Universität von Edinburgh durchgeführt wurde, in den Medien ein großes Echo hervorgerufen hat, da sie die „potenzielle Bedeutung“ der Hormonersatztherapie (HRT) für die Verringerung des Risikos der Entwicklung einer Alzheimer-Demenz bei einigen Frauen in den Vordergrund rückt.[3] Dies ist deshalb besonders wichtig, weil die bisherige Forschung keinen schlüssigen Zusammenhang zwischen einer HRT und möglichen gesundheitlichen Vorteilen bei Demenz gezeigt hat.

Die Studie hat die schädlichen Auswirkungen der Wechseljahre in Folge des Österogenmangels auf eine potentielle Demenzerkrankung gezeigt – einschließlich einer Erhöhung des Risikos bei Frauen nach der Menopause im Alter von über 65 Jahren.[4] Unbestritten ist jedoch, dass das Demenzrisiko bei Frauen höher ist und zwei Drittel der an Alzheimer erkrankten Patienten weiblich sind. Traditionell wurde dies auf die Tatsache zurückgeführt, dass Frauen länger leben als Männer, aber jetzt beginnen wir uns ein klareres Bild davon zu machen, dass der Rückgang des Östrogens ebenfalls ein starker Risikofaktor sein könnte. Etwa ein Viertel der Frauen trägt außerdem das Gen APOE4, das einen bedeutenden genetischen Risikofaktor für die Erkrankung darstellt. Ich muss jedoch betonen, dass das Vorhandensein dieses Gens nicht bedeutet, dass man garantiert an Alzheimer erkranken wird, und dass dies in der Medienberichterstattung nicht immer so klar zum Ausdruck kommt.

Was sagt uns die Studie?

Aufgrund des „Beobachtungscharakters“ dieser Studie (bei Beobachtungsstudien beobachten oder messen die Forscher bestimmte Ergebnisse, nehmen aber keinen Einfluss auf die Ergebnisse, d. h. es wird z. B. keine Behandlung durchgeführt) können die Ergebnisse nur dazu dienen, in Zukunft detailliertere und solidere Studien zu fordern.

Jetzt ist weitere Forschung darüber erforderlich, wie der Zeitpunkt der Hormonersatztherapie (HRT) das Demenzrisiko bei einigen Frauen verringern kann. Ein Beginn der Hormonersatztherapie während der Perimenopause (das Durchschnittsalter von Frauen in dieser Phase liegt bei Mitte 40[5]) könnte die Hormone ersetzen, wenn sie abfallen und die Veränderungen im Gehirn eintreten. Frauen im fortgeschrittenen Alter plötzlich eine Hormonersatztherapie zu verabreichen, Jahre nachdem sich ihre Östrogenrezeptoren geschlossen haben, kann zu spät sein. Ebenso müssen wir wissen, welche Art von Hormonersatztherapie und welche Art der Verabreichung mit größerer Wahrscheinlichkeit zu positiveren Ergebnissen führt.

So haben beispielsweise Untersuchungen aus dem Jahr 2021 gezeigt, dass Frauen über 45, die eine transdermale Hormonersatztherapie (Pflaster) mit körpereigenem Östrogen anwenden, d. h. mit Hormonen, die von den körpereigenen Hormonen nicht zu unterscheiden sind, ein um 73 % geringeres Risiko haben, an Demenz und anderen degenerativen Erkrankungen des Gehirns zu erkranken. Und je länger sie die Hormonersatztherapie anwenden, desto besser sind die Ergebnisse.[6]

Genetische Untersuchungen

Genetische Untersuchungen auf das APOE4-Gen sind nicht ohne Weiteres verfügbar, da ihr Vorhersagewert als gering eingeschätzt wird. Derzeit werden genetische Untersuchungen nur Patienten angeboten, bei denen eine früh einsetzende Demenz in der Vorgeschichte festgestellt wurde. Auch die Tatsache, dass man Träger ist, bedeutet nicht automatisch, dass man die Krankheit entwickeln wird, und das Wissen, dass man das Gen hat, kann zu übermäßigem Stress und Sorgen führen.

Die Gesellschaft für Alzheimer Erkankungen weist auch darauf hin, dass genetische Untersuchungen emotional schwierig sein können, keine eindeutigen Ergebnisse liefern und praktische Schwierigkeiten verursachen.  Bevor ein Gentest in Erwägung gezogen wird, ist eine angemessene genetische Beratung unerlässlich, um sicherzustellen, dass es sich um die richtige Entscheidung für die betreffende Person handelt. Wichtig ist auch, dass jemand, der sich testen lässt, umfassend darüber beraten wird, was die Ergebnisse bedeuten. Demenz ist ein komplexes Krankheitsbild mit vielen Ursachen, und niemand kann mit Sicherheit sagen, wie hoch dein Risiko ist.

Was ist, wenn ich keine Hormonersatztherapie vertrage?

Die Autoren dieser Studie schlagen nicht vor, dass alle Frauen in der Perimenopause und in den Wechseljahren plötzlich mit einer Hormonersatztherapie beginnen sollten, um Demenz vorzubeugen. Außerdem gibt es eine Reihe von Gründen, warum eine erhebliche Anzahl von Menschen sie nicht verwenden sollte und kann – einschließlich derjenigen, die überempfindlich auf die darin enthaltenen Hormone reagieren, eine vererbte genetische Erkrankung haben oder an einer bestimmten Krankheit leiden:

  • Menschen mit Hypertonie (Bluthochdruck) – etwa 30,9 Prozent der Frauen in Deutschland sind davon betroffen.[i]
    • Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen[ii]
    • Frauen mit Eierstock- oder Gebärmutterkrebs.[iii] Nach Angaben der Wohltätigkeitsorganisation Target Ovarian Cancer[iv] leben derzeit 7.300 Frauen mit Eierstockkrebs, und 4.100 Fraun mit Gebärmutterkrebs im Deutschland.[v]
    • Frauen, die Trägerinnen des Brustkrebsgens (BRCA1 oder BRCA2) sind.
    • Nach Schätzungen der Forschung hat etwa 1 % der Bevölkerung die BRCA-Mutation – schätzungsweise einer von 400[vi].

            Wenn du durch genetische Untersuchungen herausfindest, dass du Träger des APOE4- und/oder des BRCA-Gens bist, gibt es viele Fragen, die du in Bezug auf dein Risiko für Brustkrebs und Alzheimer-Demenz beantwortet haben möchtest. Du kannst deine Hausärztin oder deinen Hausarzt bitten, dich zu einer genetischen Beratung zu überweisen, wo du ein klareres Bild über dein Risiko, diese Krankheiten zu entwickeln, erhalten wirst. Die Entscheidung für eine Hormonersatztherapie unter Berücksichtigung der derzeitigen Risiken und Vorteile ist dann eine Entscheidung, die nur du treffen kannst. Falls du das Gefühl hast, dass du nicht alle deine Fragen beantwortet bekommst, wende dich bitte an eine/n Spezialisten/in auf diesem Gebiet

            Wie du dein Risiko einer Demenzerkrankung verringern kannst

            Während wir auf weitere Forschungsergebnisse warten, gibt es in der Zwischenzeit eine Reihe von Dingen, die du tun kannst, um dein Demenzrisiko zu verringern:

            1. Achte darauf, dass dein Blutdruck und dein Cholesterinspiegel gesund und gut eingestellt sind.

            Bluthochdruck kann die Blutgefäße in den Bereichen des Gehirns schädigen, die für die Wahrnehmung und das Gedächtnis zuständig sind, und das Alzheimer-Risiko erhöhen. [7] Außerdem kann er die Durchblutung des Gehirns einschränken, was zu einer vaskulären Demenz führen kann, welches durch eine verminderte Durchblutung des Gehirns verursacht wird. Höhere LDL-Werte (schlechtes Cholesterin) und niedrigere HDL-Werte (gutes Cholesterin) stehen in Zusammenhang mit einer größeren Anzahl von Amyloid-Plaques (Aufbau und Ansammlung von Proteinfragmenten zwischen Neuronen) im Gehirn, die mit Alzheimer-Demenz in Verbindung gebracht werden.[8] Diese Amyloid-Plaques entwickeln sich zunächst in den Bereichen des Gehirns, die mit dem Gedächtnis und anderen kognitiven Funktionen in Verbindung stehen, und beeinträchtigen diese.

            2. Erwäge die Einnahme spezieller Nahrungsergänzungsmittel, die nachweislich die kognitive Gesundheit schützen.

            Omega 3 zum Beispiel ist eine essenzielle Fettsäure, die natürlicherweise in fettem Fisch, Nüssen und Samen vorkommt, scheint die Durchblutung des Gehirns zu fördern, und eine gesunde Durchblutung unterstützt das Gedächtnis. Phytoöstrogene sind pflanzliche Verbindungen, die Östrogene im Körper nachahmen können, und in Lebensmitteln wie Soja, Samen, Nüssen, Gemüse und Obst, Hülsenfrüchten und Kräutern wie Rotklee enthalten. Sie können ebenfalls helfen, indem sie als eine Art Hormonersatz wirken. Nahrungsergänzungsmittel können einen höheren Gehalt an Phytoöstrogenen als Lebensmittel aufweisen

            3. Denke über eine Hormonersatztherapie (HET) als Behandlungsoption nach, insbesondere dann, wenn du in der Perimenopause bist.

            Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Östrogen dazu beitragen kann, das Gehirn vor Alzheimer zu schützen, indem es einige der schädlichen Wirkungen von Amyloid-Proteinen blockiert. [9] Die Hormonersatztherapie ist keine Einheitslösung. Wenn du sie in der Vergangenheit nicht vertragen hast, es aber noch einmal versuchen möchtest, wende dich an deine Ärztin oder deinen Arzt oder an einen Spezialisten für Wechseljahre, um eine andere Hormonersatztherapie zu besprechen. Wie bereits erwähnt, kommt für manche Frauen eine Hormonersatztherapie nicht in Betracht und es gibt möglicherweise andere verschreibungspflichtige Medikamente, die bei bestimmten Beschwerden in der Perimenopause oder in den Wechseljahren helfen. Darüber kannst du mit deiner Ärztin oder deinem Arzt oder einem Spezialisten für Wechseljahre sprechen. Unabhängig davon, ob du keine Hormonersatztherapie anwenden kannst oder willst, stellen viele Frauen fest, dass sie ihre Symptome durch eine Änderung des Lebensstils in den Griff bekommen, z. B. durch regelmäßige Bewegung, ein gesundes Gewicht, die Einnahme von Vitamin- und/oder Kräuterpräparaten, eine gesunde Ernährung, das Erkennen und Reduzieren typischer Auslöser wie Koffein, Alkohol und scharfe Speisen sowie den Verzicht auf das Rauchen. Hier findest du einen Beitrag zum Thema HET, und für wen diese geeignet sein kann.

            4. Versuche, einen aktiven und gesunden Lebensstil beizubehalten.

            Es gibt immer mehr Hinweise darauf, wie die Ernährung mit der Gesundheit des Gehirns und dem Gedächtnis zusammenhängt. Forschungen zufolge können Menschen, die eine mediterran inspirierte Ernährung mit einem hohen Anteil an frischem Obst und Gemüse, Nüssen und Samen, Hülsenfrüchten, Kräutern, nativem Olivenöl extra und frischem Fisch zu sich nehmen, in Kombination mit regelmäßiger Bewegung, ihr Alzheimer-Risiko um bis zu 40 Prozent senken.[10] Regelmäßige Bewegung ist ebenfalls wichtig und trägt dazu bei, das Wachstum neuer Blutgefäße im Gehirn zu fördern und neue Gehirnzellen vor Schäden zu schützen. Bewegung erhöht auch die Herzfrequenz, wodurch mehr Sauerstoff ins Gehirn gepumpt wird. Wir haben verschiedene Beiträge verfasst, die dir helfen können das Thema gesunde Ernährung in den Wechseljahren zu verstehen. Hier findest du auch leckere Rezeptideen und weitere Ernährungstipps, die den Hormonhaushalt in den Wechseljahren unterstützen können.

            5. Guter Schlaf. 

            Zwar sind die Forschungen noch nicht abgeschlossen, aber es scheint, dass sich das Demenzrisiko erhöht, wenn man in der Vergangenheit nicht gut geschlafen hat. Einer Studie zufolge kann es um bis zu 20 Prozent steigen[11]. Wir wissen auch, dass das Gehirn und der Körper viele biologische Funktionen ausführen, die nur während des Schlafs stattfinden, einschließlich der Beseitigung von Abfallprodukten, die sich im Gehirn ansammeln. Der größte Teil des Abbaus von Beta-Amyloid-Plaque findet beispielsweise während der tiefsten Schlafphasen statt, und es gibt Hinweise darauf, dass das Gehirn bei weniger als sieben Stunden Schlaf pro Nacht weniger Zeit hat, die Plaque auszuspülen und sie so anzusammeln, was zu einem erhöhten Alzheimer-Risiko führen kann[12]Informationen, wie du durch eine Ernährungsumstellung deinen Schlaf verbessern kannst, findest du hier.

            6. Bleibe geistig aktiv.

            Es ist erwiesen, dass kontinuierliches Lernen im Laufe des Lebens nicht nur dazu beiträgt, dass man geistig stimuliert bleibt, sondern dass die Wahrscheinlichkeit eines kognitiven Rückgangs steigt, wenn man nichts Neues lernt. [13] Höre nie auf zu lernen, sei offen dafür, neue Dinge auszuprobieren, „trainiere“ dein Gehirn mit Rätseln, Quiz, Kreuzworträtseln und Lesen. Halte dich über die Nachrichten auf dem Laufenden. Diskutiere mit anderen. Sei aktiv in deiner Gemeinschaft. Vergiss nicht das Mantra „wer rastet, der rostet“. 

            Weitere Hilfe

            Wenn du dir Sorgen machst, weil es in deiner Familie eine Vorgeschichte von Demenz gibt und/oder du Träger des APOE4-Gens bist, gibt es eine Reihe von Organisationen, die dir Unterstützung und Informationen anbieten (siehe unten).

            Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft – engagiert sich für ein besseres Leben mit Demenz. Alzheimer-Telefon: 030 259 37 95 14

            Weitere wichtige Beiträge und Informationen findest du auch bei der Alzheimer Forschung Initiative

            Alzheimer’s Association – ist die weltgrößte freiwillige Gesundheitsorganisation, die sich Pflege, Unterstützung und Erforschung von Alzheimer zum Ziel gesetzt hat.

            Referenzen und Quellenangaben:

            [1] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9830747/

            [2] https://www.scie.org.uk/dementia/about/#:~:text=worldwide%2C%20around%2050%20million%20people,in%20women%20in%20the%20UK.

            [3] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9830747/

            [4] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12771112/

            [5] https://www.nhs.uk/conditions/menopause/

            [6] https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/trc2.12174

            [7] https://www.helpguide.org/articles/healthy-living/blood-pressure-and-your-brain.htm

            [8] https://health.ucdavis.edu/alzheimers/insidernews/healthy_brain.html

            [9] https://www.alzheimers.org.uk/about-dementia/risk-factors-and-prevention/hormones-and-dementia#:~:text=Oestrogen’s%20protective%20effects&text=Research%20has%20shown%20that%20oestrogen,of%20the%20amyloid%2D%CE%B2%20protein.

            [10] https://www.cuimc.columbia.edu/news/exercise-and-mediterranean-type-diet-combined-associated-lower-risk-alzheimers-disease

            [11] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28890168/

            [12] https://www.nih.gov/news-events/nih-research-matters/sleep-deprivation-increases-alzheimers-protein

            [13] https://bmjopen.bmj.com/content/9/7/e027719

            [i] https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/FactSheets/JoHM_2017_01_gesundheitliche_lage3.pdf?__blob=publicationFile#:~:text=Nach%20den%20Ergebnissen%20der%20Studie,tizierten%20Bluthochdruck%20(Tabelle%201).

            [ii] https://www.hriuk.org/health/learn/cardiovascular-disease/women-and-heart-disease#:~:text=Heart%20disease%20is%20the%20number,UK%20living%20with%20heart%20disease.&text=Coronary%20heart%20disease%20kills%20more,due%20to%20a%20heart%20attack.

            [iii] https://www.cancer.net/cancer-types/hereditary-breast-and-ovarian-cancer#:~:text=A%20diagnosis%20of%20Hereditary%20Breast,at%20age%2045%20or%20younger

            [iv] https://targetovariancancer.org.uk/about-us/media-centre/key-facts-and-figures

            [v] https://www.cancerresearchuk.org/health-professional/cancer-statistics/statistics-by-cancer-type/uterine-cancer/incidence

            [vi] https://www.cancer.net/cancer-types/hereditary-breast-and-ovarian-cancer#:~:text=A%20diagnosis%20of%20Hereditary%20Breast,at%20age%2045%20or%20younger

            authorData.author_meta.name

            Dr Rebeccah Tomlinson

            Allgemeinmedizinerin

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